1.1 Die Vision, oder: So könnte es aussehen…

Lara und Paul haben zwei Wochen nach der Konfirmation schon wieder was vor. Die beiden sind 14 Jahre alt und haben sich mit 12 ihrer ehemaligen Mitkonfirmanden zum start up!-Projekt in ihrer Kirchengemeinde angemeldet. Alle 14 Tage treffen sie sich im Gemeindehaus zu dem Programm, das das Team aus haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern für sie vorbereitet hat. Beim nächsten Treffen geht es um Spielpädagogik. Lara und Paul lernen dabei, wofür Spiele gut sind, welches wann eingesetzt werden kann und sie probieren sich im Anleiten von Spielen aus. In den folgenden Wochen stehen für Lara und Paul dann Teamarbeit, Rhetorik und das Gestalten von Andachten auf dem Programm.

Gleich nach den Sommerferien startet die erste Praxisphase: Lara wird dreimal bei der Jungschar mitarbeiten und dort ihr erworbenes Wissen ganz praktisch ausprobieren. Sie wird eine Spielstunde konzipieren und auch mal versuchen, den Kindern eine biblische Geschichte lebendig zu erzählen.  Paul arbeitet bei der nächsten Ausgabe des Gemeindebriefs mit. Er will einen Artikel für die Jugendseite schreiben und beim LayOuten mithelfen.
Die gemachten Praxiserfahrungen können die beiden anschließend in ihrer start up!-Gruppe reflektieren.

Nach 10 Monaten, zwei weiteren Praxisprojekten, Abenden zum Umgang mit Konflikten, Entwicklungspsychologie, der Auseinandersetzung mit eigenen Glaubensfragen,  einem Rhetorik-Training – das Herr Fritz aus dem Kirchenvorstand geleitet hat – und vielem mehr, endet das start up!-Projekt.

In einem feierlichen Jugendgottesdienst bekommen Lara, Paul und die anderen Jugendlichen ihre Zertifikate überreicht. Die Gruppe ist zusammen gewachsen, die Teilnehmenden haben viele eigenen Gaben entdeckt und Kompetenzen geschult.
Lara hat vor auch in Zukunft immer mal bei der Jungschar mitzuarbeiten. Und Paul freut sich schon auf die nächste Konfer-Fahrt – bei der er als Mitarbeiter dabei ist.

So könnte die Durchführung des start up!-Projektes  aussehen und ablaufen. Das ist die Vision des start up-Projektes. Oder richtiger: Mehr als eine Vision. Denn Jugendliche wie Lara und Paul gibt es wirklich. Das start up!-Projekt ist seit 2008 in zahlreichen Gemeinden, Regionen und Schulen durchgeführt worden und die Beteiligten machen dabei sehr positive Erfahrungen, die dem oben beschriebenen sehr nahe kommen.

1.2 Die Grundidee von start up!

Direkt nach der Konfirmation geht es los: Die Jugendlichen werden zum start up!-Projekt eingeladen. Das start up!-Projekt ist ein Kompetenztraining: In regelmäßigen Treffen (14 tägig) über einen Zeitraum von etwa 10 Monaten werden die Jugendlichen in verschiedenen Kompetenzen geschult und arbeiten in Praxisprojekten in der Gemeinde mit. In einer Gruppe lernen die Jugendlichen sich und die Gemeinde noch einmal intensiver kennen. Sie entdecken ihre persönlichen Stärken und entwickeln ihre Fähigkeiten. Sie erleben dabei die Gemeinde als einen Ort, an dem sie auch eigene Ideen umsetzen können, arbeiten in Gruppen mit und bringen frischen Wind in die Jugendarbeit.

Die Jugendlichen erhalten am Ende der Ausbildung ein Zertifikat, mit dem die erworbenen Kompetenzen bescheinigt werden. Außerdem erwerben sie sich durch das start up!-Projekt schon wesentliche Voraussetzungen für den Erwerb der Jugendleitercard (JuLeiCa). Nach Abschluss des start up!-Projektes kann gegebenenfalls noch ein Aufbauseminar (ca. 3 Tage) angeboten werden, nach dem die Jugendlichen die JuLeiCa bekommen.

Start up! steht für den Grundansatz einer partizipativen Jugendarbeit:

  • Die Jugendlichen werden wertgeschätzt (sie sind nicht Helfer, sondern Mitarbeiter).
  • Start up! ist nicht nur eine theoretische Schulung, sondern bietet die Möglichkeit, die erworbenen Kompetenzen unmittelbar in der Praxis auszuprobieren und zu vertiefen.
  • Die Gaben und Fähigkeiten der Jugendlichen werden entdeckt.
  • Die Jugendlichen werden zum Engagement in der Gemeinde motiviert.
  • Die Jugendlichen werden als vollwertige Gemeindeglieder ernst genommen: Sie sollen Gemeinde mit gestalten.
  • Die Jugendlichen erfahren sich als Menschen, deren Engagement auch jenseits von Schule und Karriere wichtig ist und wertgeschätzt wird.

Von den klassischen Mitarbeiterschulungen (z.B. JuLeiCa-Kurs) unterscheidet sich start up! vor allem dadurch, dass der Fokus nicht auf der Qualifikation schon vorhandener Ehrenamtlicher liegt, sondern die Konfirmierten erst mal als Ehrenamtliche gewonnen werden sollen und so eine Brücke geschlagen wird zwischen Konfirmanden- und Jugendarbeit. Außerdem bietet die enge Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis die Chance, das Erlernte gleich auszuprobieren, Kontakte mit den Personen vor Ort aufzubauen, Praxisfelder kennen zu lernen, in denen die Jugendlichen vielleicht weiter arbeiten möchten und in der Gemeinde eine Gruppe zu konstituieren, die vertraut ist und vielleicht auch nach start up! gemeinsame Aktionen veranstaltet.

Für die Jugendlichen ist das start up!-Projekt ein attraktives Angebot, weil es

  1. einen überschaubaren Zeitrahmen mit einem klaren Ende hat (ein Kurs ist oft attraktiver als eine Gruppe, die anfängt und kein absehbares Ende hat),
  2. an vertraute Rahmenbedingungen anknüpft (Gruppe, Orte, Zeiten, Personen) und
  3. es ein herausforderndes, aber auch „verwertbares“ Angebot für die Jugendlichen ist (zum Beispiel kann das Zertifikat auch für Bewerbungen benutzt werden).

1.3 Inhalte und Ablauf

Das start up!-Projekt ist inhaltlich strukturiert durch fünf Kompetenzfelder, mit denen sich die Jugendlichen theoretisch auseinandersetzen und praktische Erfahrungen machen:

Sozial-kommunikative Kompetenz

  • Kommunikation und Rhetorik
  • Umgang mit Konflikten: Konstruktive Konfliktlösungen
  • Arbeiten im Team: Erfolgreiche Kooperationen

Selbstreflexive Kompetenz

  • Die eigenen Gaben entdecken: Wer bin ich und was kann ich?
  • Selbstmanagement:  Wo komme ich her und wo will ich hin?
  • Auftreten in der Öffentlichkeit:  Wie komme ich rüber?

Leitungskompetenz

  • Stilvoll leiten: Leitungsstile und Gruppenpädagogik
  • Rechts ABC: Aufsichtspflicht und Jugendschutz
  • Gruppe: Gruppenphasen, Gruppenrollen
  • Projekt-Management: Planen, Durchführen und Auswerten eigener Projekte

Pädagogische Kompetenz

  • Spielpädagogik: Auswählen und Anleiten von Spielen
  • Erzählen: Lebendig und spannend
  • Methoden der Gruppenarbeit: Erleben und reflektieren

Spirituell-theologische Kompetenz

  • Was glaube ich, was glaubst du?
  • Basics des Christseins
  • Spirituelle Formen und Rituale kennen lernen, aneignen und anleiten

Verteilt auf zehn Monate könnte der start-up!-Fahrplan so aussehen:

1. Jahr

Mai: 2 Treffen
  • Start: Kennen lernen / Gruppenkonstituierung / Gruppenregeln
  • Spielpädagogik / Feedback-Regeln
Juni: 2 Treffen + Wochenende
  • Planung und Organisation / Planung der Praxisprojekte
  • Eigener Lebensweg und Gaben / Planung des Wochenendes
  • Wochenende:
    • Gaben II
    • Gruppendynamik
    • Spiritualität I

Praxisphase I:

ca. 3 Besuche in Gruppen und Mitarbeit dort

Juli + August: Sommerferien
September: 2 Treffen
  • Rhetorik I
  • Rhetorik II oder Erzählen
Oktober: 1 Treffen und Herbstferien
  • Spiritualität II
November: 2 Treffen
  • Planung der Praxisprojekte
  • Entwicklungspsychologie und Lebenssituationen
Dezember: 1 Treffen und Weihnachtsferien
  • Spiritualität III

Praxisphase II:

ca. 3 Besuche in Gruppen und Mitarbeit dort

2. Jahr

Januar: Weihnachtsferien und 1 Treffen
  • Kommunikation / Umgang mit Konflikten I
Februar: 2 Treffen
  • Kommunikation / Umgang mit Konflikten II
  • Leiten / Leitungsstile
März: 1 Treffen + Abschlussfest
  • Strukturen der Landeskirche und der Ev. Jugend
  • Wie geht es weiter?
  • Gottesdienst mit Verleihung der Zertifikate und Abschlussfest
Herbst: Anschlussseminar: Wochenende zum Erwerb der JuLeiCa
  • Rolle und Selbstverständnis von Kinder- und Jugendleitern
  • Recht, Aufsichtspflicht, Versicherung
  • Fehlende Bausteine, die zur JuLeiCa-Beantragung notwendig sind

Praxisprojekt

Januar – März

Durchführung eines eigenständigen Projektes in der Gemeinde